Alles Fifty Fifty: Das Wechselmodell als Komödie mit Tiefgang

Alles Fifty Fifty: Das Wechselmodell als Komödie mit Tiefgang

„Alles Fifty Fifty“ packt ein Thema an, das in unserer Zeit hochaktuell ist: Eltern teilen sich nach der Scheidung das Sorgerecht für ihren elfjährigen Sohn im Wechselmodell. Der unterhaltsame Film bietet viele Stellen zum Lachen und einige zum Nachdenken. Leider ist er mit Klischees behaftet, die ich persönlich gar nicht mag. Aber dennoch solltest du ihn anschauen: Komödien, die zum Nachdenken anregen, gibt es leider nicht sehr oft.


Alles Fifty Fifty: Das Wichtigste in Kürze

  • Kinostart: 29.08.2024
  • Drama: FSK 6
  • Dauer: 112 Minuten
  • Hauptdarsteller: Moritz Bleibtreu, Linda Tonke, Valentin Thatenhorst
  • Regisseur: Alireza Golafshan
  • Deutschland, Italien, Leonine Studios

Drei Facts zum Film

  • Das Wechselmodell liefert den Stoff für eine Komödie nicht ohne Tiefgang
  • Klischees kommen in der Handlung nicht zu kurz
  • Du kannst herzhaft lachen und findest dich mitten in unserer Zeit wieder

Sehenswert?

Du magst deutsche Komödien, Moritz Bleibtreu und Stoffe, die mitten aus dem Alltag gegriffen sind? Dann ist „Alles Fifty Fifty“ für dich eine gute Wahl. Der Film lebt von einigen Überraschungen, es gibt nachdenkliche Szenen. Er ist aber auch voll mit Klischees, die unserer Zeit nicht mehr entsprechen. Der Film ist sehenswert, mit kleinen Einschränkungen.


Alles Fifty Fifty – nach der Scheidung Eltern bleiben

Das Schöne an dem Film ist, dass er mitten in unserem Leben spielt: Eltern trennen sich, weil die Lebensmodelle zu verschieden sind. Dennoch wollen sie für ihren Sohn Eltern bleiben. Dass dies nicht ohne Hindernisse funktioniert, versteht sich von selbst. Kein guter Stoff ohne Konflikte.

Marion und Andi haben den elfjährigen Sohn Milan. Sie werden zu einem Gespräch in die Schule gebeten, dass sie gemeinsam wahrnehmen. Milan hat ein Bild gemalt, in dem die junge Schulpsychologin eine Gefahr sieht. Sie hat weitere Vorkommnisse zusammengetragen. Doch die Eltern lassen sich nicht auf eine mögliche Fehlentwicklung ihres Sohnes ein.

In dem Gespräch wird sofort deutlich, dass die Haltung der Eltern sehr unterschiedlich ist: Marion folgt der erziehungswissenschaftlichen Schiene, Andi erzieht aus dem Bauch heraus. Einigkeit gibt es dennoch: Sie weisen jegliche Verantwortung von sich und wollen sich in ihre Erziehung nicht hereinreden lassen. Die Strafe regeln sie mit einer Spende an den Förderverein: Beide sind als Rechtsanwälte wohlhabend.

Milan kommt mit einem blauen Auge davon. Weil keine Einigkeit darüber herrscht, wer mit dem Jungen wann in den Urlaub fährt, beschließen Marion und Andi, gemeinsam zu fahren. Das Ziel ist Italien. Marion wird von ihrem neuen Freund Robin begleitet. Es bahnt sich eine Dreiecksgeschichte an … mit einem Ausgang, den du so am Anfang vielleicht nicht erwartest.

Die Grenzen des Wechselmodells bei geteiltem Sorgerecht

Die Hintergrundthematik der Komödie ist ernst, aber in vielen lustigen Szenen verpackt: Milan nutzt seine Situation auf verschiedenen Ebenen aus: Die Eltern haben nicht nur ganz unterschiedliche Vorstellungen von der Erziehung, sondern sie sprechen sich auch nicht ab. Dies gibt dem Jungen die Möglichkeit, Vater und Mutter gegeneinander auszuspielen.

Der hohe Lebensstandard der Eltern drückt sich darin aus, dass Milan alle erdenklichen Geräte zur Verfügung hat: Das Smartphone ist für den Elfjährigen ebenso selbstverständlich wie das eigene Tablet und die Smartwatch. Der Vater gestattet die Benutzung der Geräte am Tisch, die Mutter nicht. Derartige Gegensätze ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film und sorgen für Heiterkeit. Der ernste Hintergrund bleibt dennoch präsent: Hier ist die Komödie sehr gut gemacht.

Milan kann nicht schwimmen

Kern der Handlung ist die Tatsache, dass Milan mit elf Jahren noch nicht schwimmen kann. Er weigert sich, in den Pool zu gehen. Als er vom Boot ins Meer fällt, muss er gerettet werden. Auch hier zeigen sich die Grenzen des Wechselmodells: Die Eltern werfen sich gegenseitig Nachlässigkeit vor. Doch letztlich ist es einer von vielen Punkten, über die nie gesprochen wurde. Milan soll Schwimmunterricht bekommen. Bademeister Paris übernimmt nicht nur die Rolle des Schwimmlehrers, sondern er baut Vertrauen zu dem Jungen auf.

Das Ding mit der Liebe

Wenn geschiedene Eltern mit dem Kind gemeinsam in den Urlaub fahren, ist Liebe irgendwo doch ein Thema. In „Alles Fifty Fifty“ bahnt sich eine Dreiecksgeschichte an: Marion hat einen neuen Freund. Er ist jünger und nicht auf den Mund gefallen. Die Rolle von David Kross, der als junger Schauspieler mit Kate Winslet in „Der Vorleser“ Liebesszenen drehen durfte, ist mit Klamauk besetzt. Der allerdings sehr gut gespielt wird.

Geplant ist der Urlaub im Wechselmodell: Ein Tag verbringt Milan mit seinem Papa, den anderen mit seiner Mutter und Freund Robin. Doch die Idee scheitert bereits bei der Anreise. Und so begegnet sich das Ex-Ehepaar häufiger als geplant. Es erkennt die Lücken in der Erziehung des gemeinsamen Sohnes und spricht hin und wieder über die Vergangenheit. Wie die Dreiecksgeschichte ausgeht, möchte ich nicht verraten. Nur soviel: Marion und Andi sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, dass sich auch Milan zum ersten mal verliebt.

Reich trifft einfach

Milans erste Freundin verbringt ihren Urlaub auf einem Campingplatz, der direkt neben dem Luxusressort liegt. Sie heißt passenderweise Milla: Beide verstehen sich auf den ersten Blick. Der verwöhnte Junge lernt auf dem Campingplatz ein anderes Leben kennen: Es ist eins, das ihm gefällt. Er verbringt viel Zeit dort und bemerkt, wie frei und schön die Einfachheit sein kann.

Klischee Campingurlaub

Zufällig sind wir Camper. Vielleicht hat mich deshalb das Klischee, das dieser Film bedient, so aufgeregt. Wenn du dich entscheidest, den Film anzuschauen, darfst du gern mit der Gewissheit hineingehen, dass heute so niemand mehr seinen Campingurlaub verbringt. Auch auf den einfachsten Plätzen ist die Ausstattung unserer modernen Zeit angemessen.

Hässliche bunte Shirts, der Fünf-Euro-Grill von der Tanke und ein winziges Kinderzelt, in denen zwei Erwachsene schlafen, sind weitere Bilder, die absolut übertrieben sind. Das ist schade, es wertet den Film und vor allem die guten Schauspieler irgendwo ab. In der Rolle von Millas Vater ist Axel Stein zu sehen: Er verkörpert den Camper mit Herz und Ehrlichkeit.

Milan darf Kind sein

Nicht nur die Kinder treffen in unterschiedlichen Welten aufeinander, sondern auch die Eltern. Hier zeigt sich ein weiteres Klischee, dass jedoch eher positiv besetzt ist: Camper sind offen, sie teilen gern und sind hilfsbereit. Vor zwanzig oder dreißig Jahren waren diese Eigenschaften ausgeprägter als heute. Aber dennoch sind sie vorhanden. Milan fühlt sich in der Familie seiner Freundin wohl. Abseits von Smartphone, Tablet und teuren Steaks im Restaurant darf er einfach nur Kind sein. Zum Entsetzen seiner Mutter.

Helikoptermutter vs. Daddy Cool

Der Film ist dem Genre der Komödie zugeordnet, und dieses Genre bedient er hervorragend. Es gibt wirklich gute Szenen, die überraschen und die von Moritz Bleibtreu und Linda Tonke toll gespielt sind. Häufig grätscht David Kross als jugendlicher Liebhaber der Helikoptermutter im mittleren Lebensalter dazwischen: Immer offen für den Ex, hilfsbereit und so vernarrt in seine Freundin. Diese Dreiecksgeschichte würzt die ernsten Themen mit wirklich gutem Humor.

Im ernsten Teil des Films spielen sich die Helikoptermutter und der coole Daddy regelrecht gegeneinander aus. Beide Eltern haben gute Berufe und eine hohe Intelligenz: Andi nutzt sie, um den Jungen mit teurer Technik zu verwöhnen und an der langen Leine zu halten. Er darf nahezu alles. Probleme werden unter den Tisch geredet.

Marion sagt von sich, dass sie jeden auf dem Markt erhältlichen Erziehungsratgeber gelesen hat. Sie ist der Inbegriff einer Helikoptermutter, die von ihrem schlechten Gewissen regiert wird: Sie möchte ihr Kind vor allen Gefahren beschützen und ihm die beste Betreuung angedeihen lassen. Nur hat sie keine Zeit dafür. Zwischen der Lockerheit des Vaters und dem Beschützerinstinkt der Mutter schafft sich der Junge Freiräume, die für einen Elfjährigen viel zu groß sind.

Die Überzeugung, alles richtig zu machen

Im Gespräch mit der Schulleiterin und der Psychologin wird deutlich, dass vieles an Milans Erziehung zu wünschen übrig lässt. Doch das weisen die Eltern weit von sich. Sie sind sich in dem Punkt einig, dass sie alles richtig machen. Erst im gemeinsamen Urlaub erkennen sie die Defizite ihres Modells. Ihnen wird klar, dass der Sohn sie clever gegeneinander ausspielt.

Die Probleme getrennter Eltern sind in vielen Szenen überspitzt dargestellt. Doch es ist ein Film, dazu noch eine Komödie, die unterhalten soll. Doch in der Überzeugung, alles richtig zu machen, finden sich die meisten Eltern wieder. Dies gibt dem Film eine Nähe: Du kannst dich sofort mit der Handlung identifizieren und bist mitten drin.

Alles Fifty Fifty – ein schöner Kinoabend

Wir haben uns für den Film entschieden, weil wir gern deutsche Filme anschauen und Fans von Moritz Bleibtreu sind. Uns hat die schauspielerische Leistung der Darstleller sehr gut gefallen. Der Film hat viel Tempo, es gibt kaum Längen. Das Klischee Campingplatz hätten die Macher anders interpretieren können. Aber vielleicht empfinden wir das auch nur so, weil wie zu nah dran sind.

Es war ein gelungener Kinoabend, der Film gibt Inhalte für Gespräche und die eine oder andere Diskussion. Ist das viel gepriesene Wechselmodell nach der Scheidung der Eltern wirklich so gut für das Kind? Müssen Eltern, die sich dafür entscheiden, nicht doch mehr miteinander kommunizieren, auch wenn es schwer fällt?

Eine weitere Frage, die der Film stellt, ist die der Grenzen, die wir unseren Kindern setzen sollten. Der Bildschirmkonsum eines Elfjährigen kann durchaus gesteuert werden. Getränke und Mahlzeiten lassen sich auch dann kindgerecht auswählen, wenn die Mittel für das teuerste Steak ausreichen, das auf der Karte steht.

Milan ist sofort von der einfachen Welt der Camper eingenommen. Er fühlt sich dort wohl. Auf diesem Weg transportiert der Film die Message, dass Kinder eine Familie, Geborgenheit und Grenzen dringender brauchen als Tablet, Smartwatch und das neueste Handy. Somit entscheidest du dich für eine Komödie mit Tiefgang, nicht ohne Klischees, aber dennoch liebenswert.

Wir schauen den Film im Stream ein zweites Mal und sprechen eine klare Empfehlung für dich aus, wenn du den deutschen Film magst, gerne lachst, Fan von Moritz Bleibtreu bist und über Klischees hinwegsehen kannst.

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